Angeboren, aber nicht vererbt

Schon im Mutterleib auf Dicksein programmiert

Dass die Erbanlagen eine besondere Rolle bei der Entwicklung von Übergewicht spielen, ist nichts Neues. Dass aber bereits die Ernährungssituation des ungeborenen und des neugeborenen Kindes wesentlich dafür verantwortlich ist, ob der kleine Erdenbürger später einmal Gewichtsprobleme haben wird, findet in der Gesundheitsvorsorge bislang zu wenig Beachtung. Denn im Gegensatz zu den Erbanlagen lässt sich die Ernährung im Mutterleib gut beeinflussen. Das stellte Prof. Andreas Plagemann aus Berlin fest, im Rahmen seines Leitvortrags anlässlich der 21. Jahrestagung der Deutschen Adipositas Gesellschaft vom 6. bis 8. Oktober in Berlin.

Viele Babys kommen bereits überernährt auf die Welt. Die Ursache ist häufig ein in der Schwangerschaft entwickelter Diabetes, der so genannte Gestationsdiabetes. Wird diese Störung nicht erkannt und nicht behandelt, wird das ungeborene Kind durch das extrem zuckerreiche Blut der Mutter sprichwörtlich gemästet. Dazu kommt auf demselben Weg reichlich Insulin, welches den Fettansatz zusätzlich fördert.

Vor dem Hintergrund, dass jede zehnte Mutter während der Schwangerschaft einen Diabetes entwickelt, der in 90 Prozent der Fälle unentdeckt bleibt, schlummert hier ein enormes Präventionspotenzial. Die Rede ist von 70 000 Neugeborenen pro Jahr - 70 000 Kindern, die laut Plagemann durch flächendeckende Vorsorgemaßnahmen ihrem Adipositasschicksal entgehen könnten.

Muttermilch gilt als die beste Nahrung für Neugeborene. Normalerweise schützt sie auch vor Übergewicht. So haben gestillte Kinder von gesunden Müttern ein um 25 Prozent geringeres Risiko später dick zu werden. Wie wirkt sich Muttermilchernährung aber auf die Babys diabetischer Mütter aus? Diese Fragestellung untersuchten Plagemann und Mitarbeiter an über 300 Müttern mit Gestationsdiabetes oder Diabetes Typ 1. Sie stellten fest, dass das Übergewichtsrisiko steigt, je länger und je öfter die Kinder von ihren Müttern gestillt werden. Säuglinge, die ganz oder teilweise eine Ammenmilch nicht diabetischer Frauen erhalten, werden seltener übergewichtig und zwar abhängig von der Dosis der zugefütterten Milch. Der Grund: Die Milch von Diabetikerinnen enthält deutlich mehr Zucker (Traubenzucker), Insulin und Kalorien als die von gesunden Müttern, so dass die Säuglinge diabetischer Mütter durch das Stillen auch nach der Geburt weiter permanent überfüttert werden.

Diese Gegebenheiten sind bei der Betreuung von Schwangeren bislang sträflich vernachlässigt worden. Prof. Plagemann fordert ein flächendeckendes Screening auf Störungen des Zuckerstoffwechsels in der Schwangerschaft, um Übergewicht und Adipositas mit ihren weitreichenden medizinischen Komplikationen, wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten, effektiv einzudämmen.

Quelle: Bonn [ Maria Flothkötter - aid ]

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